Gestern war ich wieder mal im Residenztheater in München. Ich habe da seit einigen Jahren ein Abo und schon viele schöne Vorstellungen gesehen. Als Musikerin, die in der Regel in Konzerten oder in der Oper zu finden ist, hatte ich mir mal vorgenommen, meine Sprechtheaterbildungslücken wenigsten ein bißchen zu schließen.
Gestern gab es von Bert Brecht "Im Dickicht der Städte".
Über die Inszenierung wage ich nicht zu urteilen. Dazu müßte ich den Text genauer studieren.
Aber was mich wirklich genervt hat und zwar gehörig, ist die Tatsache, daß die wenigsten Schauspieler noch über ein Wissen verfügen, das es gestattet, Ausdruck nicht mit brüllender Stimme, sondern mit normaler Stimme rüberzubringen.
Ich kann mich nicht erinnern, daß ich den wunderbaren Rolf Boysen, den ich über alles verehre, einmal derart erbärmlich habe brüllen hören. Er hat das nicht nötig. Er weiß um das Geheimnis, mit dem Klang der Srpache zu zaubern. Da braucht es kein Gebrülle, kein Überschlagen der Stimme, kein Krächzen, daß man schon versucht ist, einen guten Stimmarzt zu empfehlen.
Leider wurde gestern Abend fast nur gebrüllt. Kurze Erholungspausen zwischendurch und dann der nächste Angriff auf mein - leider - musikalisch gebildetes Gehör. Schauderbar! Und was bitte hat das mit Audruck zu tun?
Wäre eine Pause gewesen, ich wäre geflüchtet...
Ich habe erst einmal wieder die Schnauze voll vom Sprechttheater. Das gebe ich unumwunden zu. Denn die Unart des Brüllens ist inzwischen so sehr verbreitet. daß ich kaum mehr aus einer Aufführung herauskomme, in der mein Gehör nicht einen derartigen Angriff ertragen muß...