Um zu verstehen, welchen Prozeß ich gerade durchlebe, habe ich mich mit der schamanischen Initiation befaßt. Ein wesentlicher Tei dieses Initiationsprozesses ist die Zerstückelung des Schamanen. Dabei geht es letztendlich darum, daß der Schamane als neuer Mensch wiedergeboren wird, als Mensch, der in seiner neuen Seinsweise in Kontakt mit der Anderswelt treten kann. In indigenen Kulturen erleben die künftigen Schamanen diese Zerstückelung in einer Vision.
Mich beschäftigt die Frage, wie diese Initiation heute ausschaut. Sind die Visionen, die moderne Menschen in unserer zivilisierten Welt erleben, wirklich Visionen oder entspringen sie einer reichen Phantasie? Was heißt es heute „zerstückelt werden“.
Bei dieser Frage habe ich eine Aussage Tarab Tulkus im Hinterkopf, der ganz klar unterschieden hat zwischen Phantasie und einer echten Visualisierung. Die echte Visualisierung – so habe ich ihn verstanden – setzt voraus,. daß man sich in einem bestimmten energetischen Zustand befindet, der ähnlich dem Zustand des luziden Träumens ist. Das visualisierende Bewußtsein ist mit einem ihm entsprechenden Energiekörper verbunden. Dieser Zustand ist zu unterscheiden von einem entspannten Zustand, in dem man auf Phantasiereisen geht.
Ein weiterer Punkt bschäftigt mich im Zusammenhang mit dieser Frage. Ist das Bewußtsein eines Menschen, der heute noch in einer indigenen Kultur lebt von dem Bewußtsein des modernen westlichen Menschen unterschieden oder nicht. Wieder von Tarab Tulku hab ich gelernt, daß wir modernen Menschen unser Körpersinnesbewußtsein vergessen haben. Menschen in indigenen Kulturen benutzen das ganz selbstverständlich. Sie haben so einen ganz anderen und natürlichen Zugang zu Wahrnehmungen, die wir unter dem Begriff „außersinnliche Wahrnehmungen“ zusammenfassen können.
Wenn ich von meiner eigenen Erfahrung ausgehe, dann kann ich sagen, daß seit dem Zeitpunkt, seit dem ich zur Heilerin berufen wurde, nichts mehr so ist wie zuvor. Diese Berufung hatte eine Vorlaufzeit, in der ich an ein Denken herangeführt wurde, daß mich die Phänomene, die ich jetzt erlebe, als völlig normal begreifen läßt. Dies ist die Sicht des tibtetischen Buddhismus, wie sie Tarab Tulku gelerhrt hat. In meiner westlichen Tradition – ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen – hätte ich keine Erklärungsmodelle gehabt, um diese Phänomene zu verstehen.
Was hat sich verändert?
Der entscheidende Schritt ist eine erste Öffnung für die geistige Welt. Ich nehme Energieen wahr.
Manche Energie kann ich mit Namen in Verbindung bringen. Das ist lertztendlich nicht entscheidend, ist aber eine Hilfe, um Wesenheiten, mit denen ich arbeiten darf, zu unterscheiden. Dazu kommt der Kontakt mit meinen Ahnen. Das ist eine Erfahrung von unschätzbarem Wert. Neu ist für mich die Begegnung mit Wesenheiten der Natur, mit Tieren, Bäumen und Pflanzen.
Gleichzeitig zu dieser Öffnung für die geistige Welt erlebe ich eine Veränderung meiner Persönlichkeit.
Die Frage „Wer bin ich“ hat eine ganz neue Dimension bekommen. Ich fange an, mich auf eine völlig neue Art wahrzunehmen, nämlich als Energiewesen, das mit anderen Energien verbunden ist.
Schritt für Schritt lösen sich energetische Fixierungen auf, Schritt für Schritt kann ich mehr Energie zulassen.
Das Lösen von energetischen Fixierungen erlebe ich als ein Berührtwerden von Energiewellen. Da gibt es leichte Berührungen, mit denen ich gut umgehen kann, aber es gibt auch Berührungen, die sind so gewaltig, daß sie kaum zu ertragen sind. Ebenso gibt es enegretische Fixierungen, die nur Schritt für Schritt aufgelöst werden können. Jedes Lösen einer energetischen Fixierung hat ein Stück mehr Freiheit zur Folge, macht mich lebendiger und offener für das Leben.
Diese Reise zu mir selber läßt mich zu Zeit ein Verlangen nach Abgeschiedenheit, nach Rückzug spüren, dem ich mal mehr, mal weniger nachgeben kann. Es ist eine aufregende Reise, manchmal mühsam, manchmal schmerzhaft und dann wieder vollkommen beglückend. Jeder einzelne Schritt auf dieser Reise aber bringt eine Erfahrung mit sich, die mich tief bereichert.